Noch ist es Freitag, 21 Uhr. Wir checken minütlich den Wetterbericht, schauen uns an, wie die Gewitter gerade auf dem Radar ziehen. Ich aktualisiere die Vorhersage für die Windböen wieder ein mal und dann – SCHOCK! Die ganze Zeit waren Böen von bis zu 35 Knoten vorhergesagt, und jetzt steht hier 1 Uhr Nachts 43 Knoten, um 2 Uhr 50 Knoten und ab 3 Uhr wieder 43 Knoten. Windgeschwindigkeiten, die man vor Anker nicht erleben möchte.
Innerlich bekomme ich Panik. Werden wir gleich zum absoluten Spielball der Naturgewalten? Schon jetzt waren konstant 20-25 Knoten Wind, es regnete und war dunkel. Noch in eine Marina zu fahren war also auch keine Option. Und nun ist Boot fahren leider nicht wie Auto fahren. Ich kann nicht rechts ran fahren und sagen „ich will nicht mehr“. Wir mussten da jetzt irgendwie durch.
Wir haben am Nachmittag schon bei den 30 Knoten Wind beim Gewitter gemerkt, wie doll die Boote auf die Seite gedrückt werden und schnell alles durchs Boot fliegen kann. Also verstauen wir nun wirklich ALLES! Denn das einzige was wir jetzt machen können, ist uns bestmöglich vorzubereiten. Wir holen unser Ölzeug, die Rettungswesten und Lifebelts aus dem Schrank. Mit Lifebelts kann man sich wie beim Klettern am Schiff fest machen, um nicht bei einer Welle von Bord zu fallen. Denn wenn unser Anker sich löst, müssen wir im worst case bei Sturm draußen am Steuer manövrieren.
Die Hose und feste Schuhe ziehen wir uns schon an und setzten und um etwa 22.30 Uhr auf das Sofa in unserem Salon. Schon jetzt regnet es und stürmt, aber noch im erträglichen Maß. Aber das Warten zerrt insbesondere bei mir ganz schön an den Nerven. Dieses Gefühl, irgendwie der Situation ausgeliefert zu sein, kann ich nur sehr schwer ertragen. Denn mein Inneres möchte immer für jedes Problem direkt eine Lösung finden. Wir saßen da, aktualisierten zum 50. Mal das Wetterradar, schauten wie genau das Gewitter nun zog.
Das Problem war, dass bei uns ziemlich nah das Zentrum des Tiefdruckgebiets herüber ziehen sollte, wodurch die Winde sehr stark kreisen. Dabei schauten wir überwiegend nach dem europäischen Wettermodell, da dies normalerweise die zuverlässigsten Vorhersagen bietet. Die letzte Hoffnung von uns war, dass doch das amerikanische Modell recht hat, welches nur Wind bis 35 Knoten vorhersagte.
Irgendwann machen wir uns einen Podcast an, um auf andere Gedanken zu kommen. Immer wartend auf 2 Uhr, wo der Peak vorhergesagt wurde. Als die vorhergesagten Winde aber schon vorher nicht so stark wurden, wie vorhergesagt, haben wir noch ein bisschen Hoffnung, diese Situation gut zu überstehen. Auch wenn das draußen tobende Gewitter mit seinen Kübeln von Regen schon so schlimm genug war.
Um 3 Uhr gehe ich ins Bett, völlig übermüdet. Pascal bleibt im Salon und behält die Situation noch etwas im Blick. Wenn etwas ist, weckt er mich. Aber in einen tiefen Schlaf kommen wir bei dieser Aufregung sowieso nicht. Um 6 Uhr morgens kriecht auch Pascal ins Bett. Wir sind so dankbar, dass uns nichts passiert ist. Müssen jetzt aber erste einmal Schlaf nachholen.
Als wir um 12 Uhr aufstehen frühstücken wir meinen Geburtstagskuchen und trinken dazu eine große Tasse Kaffee. Heute ist für uns ausruhen angesagt, das stand fest! Wir gehen eine Runde schwimmen, um uns zu erfrischen und duschen danach auf der Badeplattform. Den Rest des Tages liegen wir im Cockpit.
Am Abend werden wir dann munter und fahren mit dem Dingi nochmal rüber an Land. Wir möchten jetzt doch noch eine Runde laufen und vor allem etwas leckeres Essen gehen. Denn Lust zu kochen hatte keiner von uns. So belohnen wir uns mit einem tollen Restaurantbesuch und sind happy, diese Situation gemeinsam gemeistert zu haben.







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